Lauras Schweige

von Paula Fox

Über

Man verrät kein großes Geheimnis, wenn man gleich zu Anfang erwähnt, worin das Titel gebende Schweigen Lauras in Paula Fox Roman besteht: Gerade ist die Patronin der Familie Maldonada gestorben, und ihre Tochter hält es nicht für nötig, ihrem Bruder Carlos oder dem Enkelkind Carla davon zu berichten. Gelegenheit dazu ist reichlich; denn die ahnungslosen Hinterbliebenen haben sich in einem New Yorker Hotel versammelt, um vor Lauras Abreise nach Afrika zu dinieren. Jetzt aber fahren sie in ihren Gesprächen immer tiefer hinein ins dunkle Herz ihrer eigenen Beziehungslosigkeiten, wobei Laura als herrische, wissende Strippenzieherin das schreckliche Territorium der Mutter" als Alleinerbin bald völlig kolonialisiert.

Eigentlich war die im Altersheim vor sich hin siechende Mutter schon seit Jahren tot, ihr Grab, eine Familiengruft, schon längst gekauft. Nur in den Köpfen der Maldonadas spukte sie als böser Geist noch immer herum. Und so geht es in Lauras Schweigen vor allem um die Abrechnung mit der lange Zeit verdrängten Vergangenheit, die die Figuren in den Dialogen wieder einzuholen droht und die in die Gegenwart aller hineinragt: eine Abrechnung mit den abgelebten Konstellationen zueinander, mit den in Hass verwandelten Lieben zu Partnern, Freunden oder Töchtern. Als am Ende des Romans alle (getrennt) zur Beerdigung gehen, ist mehr gestorben als ein ungeliebtes Familienoberhaupt.

Lauras Schweigen ist ein grandioses Kammerspiel, das in nur zwei Tagen an Hand von scheinbaren Beiläufigkeiten, Gesten und dahingeworfenen Wörtern das Psychogramm einer zerstörten Familie offenbart. Dementsprechend hat Fox die Orte der Begegnungen als Durchgangsstationen konzipiert: Hotelzimmer, Korridore und Restaurants sind Schauplatz eines mit kühl-distanziertem Blick brillant geschilderten Trauerfalls. So sind es letztlich die Hoffnungen und Wünsche der Hinterbliebenen, die Fox in ihrem Meisterwerk in schlichter Sprache beredt zu Grabe trägt. Auch wenn Kalifornische Jahre noch ein bisschen besser ist, so kann man eigentlich auch bei Lauras Schweigen nicht recht verstehen, warum man auf die (im übrigen ausgezeichnete) Übersetzung ein Vierteljahrhundert hat warten müssen. --Thomas Köster

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