Über

Matti und Greta stehen am Abgrund. Lange sind sie wie Hänsel und Gretel durch den Wald gelaufen, jetzt erstreckt sich vor ihnen das schier unendliche Watt. Warum die Geschwister in dem Anfangskapitel des Romans Risiko atemlos an dieser Schwelle der Entscheidung stehen, bleibt lange im Dunkeln. Und trotzdem ahnt der Leser auf jeder nun folgenden Seite, dass irgendwo irgend etwas Böses lauert, vor der sie geflohen sind.

Dabei geht es im Folgenden fast harmlos zu im Roman der Hannoveraner Autorin Alexa Henning von Lange, die mit Büchern wie Woher ich komme, Erste Liebe oder Relax zu einiger Berühmtheit kam. Denn Matti und Greta wachsen keineswegs bei armen Leuten, sondern in einer fast märchenhaft wohlbehüteten Umgebung auf, in der die Eltern, Nachbarn und Freunde aufs Harmonischste zusammenzuleben scheinen. Aber der Schein trügt. Denn Mutter Lilly trauert, was der Leser im Verlauf der Handlung immer weniger verstehen kann, ihrer Jugendliebe hinterher. Der Vater hat aus dem Nahen Osten ein Trauma mitgebracht und wirkt auf seine Ehegattin immer fremder. Und auch die Nachbarschaft nimmt immer skurrilere Züge an -- bis zum grandiosen Ende, wo sich der psychologische Familienroman vom Verfall einer Familie fast schon zu einem Thriller amerikanischen Ausmaßes wendet.

All dies beschreibt Alexa Henning von Lange zumeist aus der Sicht ihrer Figuren, die immer mehr erkennen müssen, wie die Idylle -- und sogar die Sehnsucht nach ihr -- hoffnungslos zerplatzt. Risiko ist ein trauriger Roman, und ein verstörend schöner noch dazu. -- Stefan Kellerer, Literaturanzeiger.de

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