Und Ruth (Roman)
Über
Und Ruth. Dem Titel folgt kein Punkt, kein Fragezeichen, kein Doppelpunkt. Alles wäre möglich. Ruth. Sie, der große Schwarm der Klosterschüler. Sie, bei der nur Erich landen konnte. Erich, der Name, der eigentlich noch vor den Titel zu stehen käme: Erich und Ruth.Urs Faes hat sich nach langem Schweigen mit einer verstörenden Lektüre zurück gemeldet. Eine langweilige Internatsgeschichte? Vorpubertäres Voyeurenglück? Abrechnung mit dem Lehrkörper nach über 40 Jahren? Ja, all das, aber eben noch ein wenig mehr. Erich und Ruth eben. Denn Erich springt von der Brücke neben der Klosterschule in den Tod. Und das, nachdem ihm seine Mitschüler einen Streich gespielt haben, ihm eine Fotomontage untergejubelt haben, über deren Aussehen man nur spekulieren kann. Der Tod Erichs jedenfalls lässt keinen mehr los. Auch nicht den Leser, der Gewissheit will, der wissen muss, wie es wirklich war. Da enttäuscht ihn aber Faes und bleibt ganz auf der einseitigen Sicht des Ich-Erzählers. Keine Information aus dem Lehrkörper, nicht aus der polizeilichen Ermittlung. Warum Erich den Sprung in die Tiefe getan hat, muss Geheimnis eines Geheimnisvollen und Schweigsamen bleiben. Die Verantwortung wird nicht abgeschoben aber auch nicht angenommen. Sie bleibt schwärend über jedem hängen.
Einen beklemmenden Roman hat Urs Faes geschrieben, und auch das ist nur die eine Wahrheit. Gelungen sind ihm einige wunderbare und komische Abschnitte, etwa die Ereignisse am Elternbesuchstag, das Anmachtraining hormonisierender Jünglinge für das Sommerfest. Treffend, wenn auch für die heutige Generation kaum mehr nachvollziehbar, sind aber auch die traurigen Kapitel einer brutal veralteten Pädagogik, die eigenartigen Gruppendynamiken innerhalb einer abgeschlossenen Gesellschaft, die seltsamen Riten einer Männergesellschaft, die Frauen höchstens als Samariterinnen, leichte Wirtstöchter oder duschende Köchinnen zulässt. Oder eben als Ruth. --Martin Walker
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