'Versprich mir, dass du am Leben bleibst'
Über
Ostern 1930. Herrliche Zeiten, so Isaak Behar heute rückblickend, als in der Schule vor einem jüdischen Feiertag auf die Frage "Wer von euch ist Jude?", die halbe Klasse die Hand hob. Zwar tauchten an den Litfaßsäulen erste "Deutschland erwache!"-Parolen auf, auch begegnete man häufiger Schmierereien wie "Die Juden sind unser Unglück" -- der Alltag jedoch sah anders aus. Ohnehin kümmerte dies den Siebenjährigen und seine Kameraden wenig. Schließlich waren ja auch viele ihrer Lehrerinnen und Lehrer Juden. Drei Jahre später hielt das Grauen in Deutschland Einzug.Die Geschichte Isaak Behars, einziger Sohn und Überlebender einer Familie sephardischer Juden in Berlin, wurde nicht ohne Grund in Steven Spielbergs "Shoa Foundation", einem Archiv jüdischer Schicksale im Dritten Reich, aufgenommen. Behars präzise Erinnerungsarbeit fügt sich zu einem beispielhaften Kalendarium des Schreckens der Judenverfolgung und ihrer Vernichtung.
Zur Familiengeschichte: Trotz der einsetzenden Entrechtung der jüdischen Bevölkerung ab 1933 blieben die Behars zunächst weit gehend unbehelligt. Terror und Schikanen nahmen jedoch schnell zu. Haustierverbot, Einkaufserlaubnis nur zwischen 16.00 und 17.00 Uhr, keine Bezugsscheine für Tabak und Rasierseife (der perfide Gedanke dahinter: Männer mit Bärten sollten als Juden erkennbar sein). Was die Familie bis zum Schluss verdrängte, in der Pogromnacht am 10. November 1938 wurde es zur fürchterlichen Gewissheit. "Erst brennen die Steine, dann wir!" Isaaks Mutter ahnte, was kommen sollte.
Ab 1942 Zwangsarbeit. Gleisbau, schließlich eine Militärfärberei. Behars Schilderung des furchtbaren "Schlossermeisters Köhler", eines Menschenschinders und Fallbeispiels deutscher Wesensart, dem die antisemitische Hetzpropaganda offensichtlich neuen Lebenssinn verliehen hatte, treibt einem beim Lesen Tränen in die Augen. Als schließlich die Deportation seiner Familie erfolgte, tauchte Isaak als "U-Boot" buchstäblich in den Untergrund der Reichshauptstadt ab. Eine nicht enden wollende Irrfahrt begann.
Isaak Behar bringt seinen Überlebensbericht seit Jahren als Zeitzeuge und unermüdlicher Mahner an Schulen und Polizeiakademien zu Gehör. Wie es scheint, eine gerade angesichts der aktuellen Antisemitismus-Debatte unerlässliche Aufklärungsarbeit. --Ravi Unger
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