Drachenmeer
Über
Wie kommt es eigentlich, dass das geheimnisvolle Reich der germanischen Mythologie immer noch so anziehend auf Autoren wie auf Leser wirkt? Eigentlich, so sollte man meinen, ist der Welt der Trolle und Drachen, der Barden und Berserker nichts Neues, Aufregendes zu entlocken. Und auch der Plot des Romans Drachenmeer der 64-jährigen US-amerikanischen Autorin Nancy Farmer klingt so, als habe man ihn in der ein oder anderen Variante schon irgendwo einmal gelesen. Da gibt es einen Jungen, der inmitten der Erwachsenenwelt die merkwürdigen magischen Ströme erfühlen kann, die unsere Welt durchziehen. Da gibt es die Wikinger, die ihn verschleppen. Da gibt es die brutale Königin der Nordmänner mitsamt dem Auftrag, ins Land der Drachen -- „zum Ursprung aller Magie“ -- zu reisen. So weit und so bekannt -- meint man. Aber wie Farmer ihren Plot verarbeitet hat, das ist schon wahrhaft meisterlich und lesenswert.„Für ein so riesiges Wesen machte der Drache beim Anflug erstaunlich wenig Lärm“, lautet ein schrecklich schöner, überraschender Satz in Drachenmeer, „so wenig, dass Jack ihn über dem Heulen des Windes und seinem eigenen keuchenden Atem nicht kommen hörte“. Von derart schönen Sätzen, die alten Mythen und Sagen neue Aspekte abgewinnen, wimmelt das ganze Buch: Sätze, die zudem zeigen, wie geschmeidig die Übersetzerin Simone Wiemken Farmers Fantasy-Epos ins Deutsche übertragen hat. Wenn man auf derart neue Art in alte Welten eintauchen darf wie in Drachenmeer, dann will man sich noch viele Bücher aus dem Reich von Tolkien & Co gefallen lassen. Und wenn sie von einer derart blendend schreibenden Autorin wie Nancy Farmer stammen: umso besser. --Stefan Kellerer
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