Gute Tage: Begegnungen mit Menschen und Orten

von Roger Willemsen

Über

Roger Willemsen trifft Prominente -- da werden Erinnerungen wach an "Willemsens Woche", jene ZDF-Sendung, in der er vier Jahre lang mit Stars plaudern durfte, was insgesamt meist nur mäßig spannend war. Die Begegnungen in Gute Tage sind glücklicherweise von anderem Kaliber. Vor allem, weil die Interviews nicht im Zentrum der Texte stehen, sondern Atmosphäre, Details und scheinbare Nebensächlichkeiten. Wie etwa vor dem Madonna-Interview der Smalltalk mit dem Pariser Taxifahrer, der sich ereifert, dass der Weltstar nicht vorhabe, sich den Eifelturm anzusehen. Oder Willemsens Beobachtungen als er stundenlang warten muss, bevor man ihn bei Yassir Arafat vorlässt. Oder die Reise durch den Regenwald Kalimantans, um die bekannteste Orang-Utan-Forscherin zu treffen. Einige der Texte gab es bereits in Buchform, in Noch eine Frage. Begegnungen mit Menschen und Orten allerdings verspricht das Nachwort, alle seien überarbeitet, „zum Teil erweitert oder völlig erneuert“.

Bei manchen Texten -- und die gehören zu den besten -- hat man besonders stark das Gefühl, die Begegnungen mit den Promis seien für Willemsen ohnehin nur Vorwand, die Koffer zu packen, in die Ferne zu reisen und sich an Eindrücken zu berauschen. Wenn er sich beispielsweise tagelang durch Tokyo treiben lässt, um schließlich doch noch flüchtig Hoki Tokuda zu treffen, die letzte Ehefrau Henry Millers. Man fühlt sich erinnert an Lost in Translation und die Szene in der Hostess-Bar gehört zu den traurig-komischsten im ganzen Buch. Wenn ich ganz ehrlich bin: Im Grunde ist es mir egal, wo Willemsen hinfährt und wen er trifft. Das Faszinierende ist sein Stil, diese ebenso geschliffene wie anrührende Sprache, in die er Gefühle und Beobachtungen übersetzt. Wie gut dieser Mann schreiben kann, wissen wir spätestens seit seiner Deutschlandreise. Gute Tage bietet Pretiosen, die der Literatur näher stehen als dem Journalismus. Man bekommt während der Lektüre fast ein wenig Angst, dass man dieses Buch zu schnell ausgelesen haben könnte. --Christian Stahl

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