Kleines Mädchen mit komischen Haaren

Fiktion von David Foster Wallace

Über

David Foster Wallace lesen, das ist ein bisschen wie mit verbundenen Augen Achterbahn fahren: Gut möglich, dass diese kleine Sammlung von Stories die Leser am Ende mit wackligen Knien, aber durchaus beglückter Miene entlässt. Beeindruckend ist dabei vor allem, welche stilistische und erzählerische Wandlungsfähigkeit der Autor entfaltet, der seit Jahren in den Vereinigten Staaten als ungewöhnliches Talent gefeiert wird. Fast hat man den Eindruck, es handele sich um eine Anthologie und nicht um das Werk eines einzigen Autors. Von der minimalistischen Seelenpendelei vieler seiner zeitgenössischen Kollegen heben sich Wallaces Erzählungen dabei wohltuend ab -- hier wird lustvoll und mit viel surrealer Fantasie Literatur gemacht. Durch ihre eigentümliche Mischung aus Provokation und Melancholie bleiben besonders Storys wie "Tiere sehen Dich an", "John Billy" oder auch die Titelgeschichte vom kleinen Mädchen mit komischen Haaren im Gedächtnis haften.

Nicht erst seit Wallace 1996 mit seinem Roman Infinite Jest die amerikanische Buchszene in Aufruhr versetzte, bescheinigen ihm Kritiker ebenso viel literarische Begabung wie Unberechenbarkeit. Seltsamerweise verkaufte sich Infinite Jest, ein Furcht einflößender Klotz von über 1.000 Seiten inklusive Fußnoten, nicht nur ziemlich gut, das Buch erlangte bald einen ähnlichen Status wie die Bibel: Jeder kannte es, aber kaum jemand hatte es wirklich ganz gelesen. Und schon wurde Wallace zum Hoffnungsträger der amerikanischen Literatur erklärt, der die Nachfolge von Thomas Pynchon, Don DeLillo und William Gaddis antreten sollte.

Unbestreitbar ist zwar, dass Wallace von den genannten Vorgängern einiges gelernt hat, doch in gewisser Weise verweigern sich seine Texte üblichen Kategorisierungen: David Foster Wallace "scheidet die Geister", wie Denis Scheck in seinem Nachwort zur vorliegenden Sammlung zu Recht anmerkt. Für die deutschen Leser bietet Kleines Mädchen mit komischen Haaren einen lesenswerten Einstieg in die wundersame Welt des David Foster Wallace -- nicht zuletzt auch wegen der äußerst gelungenen Übersetzung von Marcus Ingendaay. --Peter Schneck

Erschienen

1989

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