Die bezaubernde Florentinerin
Über
Salman Rushdie ist ein postmoderner Autor. So jedenfalls hat man den indisch-britischen Schriftsteller, der wegen seiner islamkritischen Darstellungen des Leben Mohammeds in seinem Buch Die satanischen Verse 1988 vom iranischen Staatschef Ruhollah Musavi Khomeini in Abwesenheit zum Tode verurteilt wurde, immer wieder charakterisiert. Als einer, der Märchen und Mythos mit der Realität verknüpft. Und als einer, der aus dem unerschöpflichen Fundus der Historie Stoffe zieht, die die Gegenwart beleuchten.In Rushdies Roman Die Schöne Florentinerin ist manches anders. Hier kommt die Gegenwart nicht vor. Das Buch ist ein rein historischer Roman, mit allen Elementen, die dazu gehören. Er spielt in der Umbruchzeit des 16. Jahrhunderts, und geschichtliche Größen wie Niccolo Machiavelli spielen darin eine wichtige Rolle. Im Zentrum aber steht Agostino Vespucci, nach dessen Cousin Amerigo Amerika benannt worden ist. Der Florentiner steht plötzlich vor der Residenz des indischen Mogul-Königs Akbar des Großen in Fatehpur Sikri – und überbringt ein Schreiben, das angeblich von der britischen Königin Elisabeth I. stammt und um Hilfe in deren Kriegen bittet. Zu allem Überfluss behauptet Vespucci noch, über eine abtrünnige indische Prinzessin – der „schönen Florentinerin“ – mit dem Großmogul verwandt zu sein. Um diesen Plot spannt Rushdie einen Atem beraubenden Bogen, der den Lesern in die Zeit politischer Intrigen, Visionen und Phantastereien hineinversetzt. Und das ist wahrhaft meisterlich beschrieben.
Aber Rushdie wäre nicht Rushdie, wenn er im Historischen auch hier nicht das Gegenwärtige durchscheinen ließe. „Die Vergangenheit ist ein Licht, das, entsprechend ausgerichtet, die Gegenwart heller erleuchtet als jede moderne Lampe“, heißt es dementsprechend in Die Schöne Florentinerin. So ist das Buch doch wieder ein postmoderner Roman geworden. Und der phantastische Erzähler Rushdie ist sich einmal mehr treu geblieben. -- Stefan Kellerer
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